Brüssel reanimiert Sanierungserlass – Welche Vorteile bzw. Nachteile ergeben sich daraus für Sie?

Sanierungsgewinne entstehen sowohl in außergerichtlichen als auch in gerichtlichen Sanierungen durch den Forderungsverzicht eines oder mehrerer Gläubiger.  Konzeptionell liegen einem solchen Forderungsverzicht im außergerichtlichen Verfahren Vergleichsvereinbarungen oder im gerichtlichen Verfahren Insolvenzpläne zugrunde. Als Folge des Verzichts ergibt sich eine Erhöhung des Betriebsvermögens und somit ein Bilanzgewinn. Dieser unterlag seit der Streichung des §3 Nr. 66 EStG für nach dem 01.01.1998 endende Wirtschaftsjahre grundsätzlich der Besteuerung.

Bisherige Praxis zur Einstufung von Sanierungsgewinnen

Da diese Praxis jedoch der ausdrücklichen Zielstellung der neuen Insolvenzordnung widersprach, wurde im Jahr 2003 eine Privilegierung des Sanierungsgewinns durch den sogenannten Sanierungserlass des BMF (Bundesministerium der Finanzen) geschaffen, welche die Steuerfreiheit für die Körperschaftssteuer faktisch wiederherstellte und sowohl auf die Gewinne einer Restschuldbefreiung wie auch auf eine Verbraucherinsolvenz anzuwenden war. Lediglich die Gewerbesteuer unterlag nicht dem Sanierungserlass. Eine Steuerbefreiung lag hier dem Ermessen der hebeberechtigten Gemeinde.

Seit dem Beschluss des Großen Senats des BFH (BFH Beschluss vom 28.11.2016, GrS 1/15, BStBl II 2017, 393; vgl. auch BMF vom 27.4.2017, IV C 6 – S-2140 / 13 / 10003, BStBl I 2017, 741) waren die aus einem Schuldenerlass entstehenden Sanierungsgewinne jedoch wieder zu besteuern, da der Große Senat die Auffassung vertrat, dass der Sanierungserlass gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit verstoße und somit verfassungswidrig sei. Somit waren nicht nur die Sanierungsgewinne noch laufender Sanierungen betroffen, sondern auch rückwirkend alle Fälle, in denen der Sanierungserlass Anwendung gefunden hatte.

Der Gesetzgeber reagierte und schaffte am 27.06.2017 im §3 EStG die notwendige rechtliche Grundlage. Zudem wurde in §7b GewStG gleichzeitig die gewerbesteuerliche Behandlung von Sanierungsgewinnen geregelt. Jedoch standen diese Neuregelungen unter dem Vorbehalt, dass die EU-Kommission mit Beschluss feststellt, dass diese Regelungen entweder nicht als staatliche Beihilfen gelten oder es sich um mit dem Binnenmarkt vereinbare Beihilfen handelt.

Im Sommer 2018 teilte die EU in einem „Comfort Letter“ mit, dass sie davon ausgehe, dass die Neuregelungen nicht gegen Europäisches Beihilferecht verstoßen. Den im Gesetz geforderten förmlichen Beschluss gab es jedoch nicht. In der Folge strich der Gesetzgeber das Erfordernis der formalen Zustimmung und stellte mit dem Inkrafttreten des „Gesetzes zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen und Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften“ vom 11.12.2018 die Steuerfreiheit von Sanierungsgewinnen, auch rückwirkend, wieder her.

Welche Konsequenzen hat die neue gesetzliche Regelung zur Steuerfreiheit von Sanierungsgewinnen?

Im Vergleich zu der zuvor praktizierten Steuerfreiheit durch den Sanierungserlass gibt es jedoch aus der Sicht des zu sanierenden Unternehmens sowie seiner Sanierungsberater in der Konsequenz  positive wie auch negative Neuregelungen.

Positiv:

  1. Die Steuerbefreiung ist nun auch bei vorinsolvenzlichen, also außergerichtlichen Sanierungen möglich.
  2. Das Antragserfordernis wurde abgeschafft. Die Sanierungsgewinne sind ohne Ermessenspielraum von der Finanzbehörde zu gewähren.
  3. Gilt auch für Gewerbesteuer – somit ist keine Einzelabstimmung mit Städten und Gemeinden mehr erforderlich.

Negativ:

  1. Nichtabziehbarkeit der Sanierungskosten, welche im Rahmen eines außergerichtlichen oder gerichtlichen Sanierungsverfahrens anfallen. Zusätzlich sind die im unmittelbaren Zusammenhang mit der Sanierung stehenden Kosten für Berater, Sachwalter/Insolvenzverwalter, Anwälte, etc. ab sofort nicht mehr abzugsfähig und führen somit zu einer erhöhten Steuerlast.
  2. Die Verluste gehen in Höhe des Sanierungsertrags abzüglich der Sanierungskosten unter. Hierzu wurde eine zwingende Reihenfolge des Verlustverbrauchs vorgeschrieben (§ 3a Abs. 3 S. 2 Nr. 1 bis 13 EStG), um eine Doppelbegünstigung zu verhindern. Zeitlich sind die Verlustpositionen aus dem Sanierungsjahr, Vorjahren und dem Folgejahr Ein hiernach potenziell noch vorhandener Restbetrag ist, zur Verhinderung von Missbräuchen, mit potenziellen Verlusten von nahe stehenden Personen zu verrechnen und kann auch diese somit mindern oder untergehen lassen.

Offen bleibt, ob unter die neue Vorschrift der nicht abziehbaren Sanierungskosten, neben den Beraterkosten auch die Vergütungsansprüche des Sach- bzw. Insolvenzverwalters für die Mitwirkung an einem Insolvenzplan fallen. Zudem ist in Bezug auf den vorinsolvenzlichen (außergerichtlichen) Sanierungserlass zu definieren, welche Ansprüche an diesen gestellt werden und wann ein solcher vollzogen ist. Wie immer, wird hier die in Zukunft entstehende Rechtsprechung zunehmend Klärung schaffen.

Quellen:

https://www.smartsteuer.de/online/lexikon/s/sanierungsgewinn-lexikon-des-steuerrechts/

Gesetz zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen und Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften

Gesetz gegen schädliche Steuerpraktiken im Zusammenhang mit Rechteüberlassungen

Dipl.-Wi.-Ing. Daniel Mann, CEO der AMBG

Autor: Dipl.-Wirtsch.-Ing. Daniel Mann

Daniel Mann verfügt über tiefgreifendes Know-how in Sanierungsverfahren. Während seiner langjährigen Tätigkeit in den USA konnte er seine Erfahrungen in der Energiebranche ausbauen. Nach seiner Rückkehr nach Deutschland spezialisierte er sich insbesondere auf die Erfordernisse und Prozesse der Automobilbranche. Darüber hinaus sammelte er umfangreiche Erfahrungen in der Landwirtschaft. 2018 ist er zum CEO der AMBG mbH berufen worden.